Aus eins mach drei – so könnte das Motto des Starts lauten, der auf der HAM Radio 2019 stattfand. Die Hauptnutzlast hat Lucas, OE2LSP, erdacht und gebaut: Ein Raspberry Pi mit Kamera und HAMNET-Anbindung!
Am Boden gehörte dazu noch eine automatisch nachgeführte Antenne und eine umfangreiche Video-Mischtechnik sowie einiges an HAMNET-Technik, um den Livestream im HAMNET und im Internet abrufbar zu machen. Um es vorweg zu nehmen, der nach unserer Kenntnis erste Einsatz des HAMNET auf einem Ballon hat, trotz gelegentlicher Ausfälle, einwandfrei funktioniert und macht Mut für weitere Experimente in diese Richtung. Allerdings hat die stromhungrige Technik auch ihren Preis, wenn es um Gewicht und Wärmeentwicklung geht. Der Raspberry ist ziemlich heiß geworden und hat sich selbst heruntergetaktet, was das Videobild ins Stocken brachte.
Neben dieser Nutzlast waren noch 6 weitere an das lange Tragseil geknotet: 1 Sprachbake auf 145,200 MHz, 3 APRS-Baken auf 144,800 MHz, eine auf 432,500 MHz und ein kleiner Peilsender auf 432,900 MHz. Weiter unten dazu mehr.
Die Startvorbereitungen zwischen den Messehallen liefen recht entspannt, das Wetter war perfekt und pünktlich um 11 Uhr wartete das Gespann in der Windstille auf die Startfreigabe des Flughafens Friedrichshafen. Ein gerade startender Zeppelin bekam den Vortritt und so wurde es 11:13 Uhr, bis der Ballon mit einem Countdown der zahlreichen Zuschauer abhob und seine Fahrt antrat. Die Vorhersagen versprachen eine kurze Reise in Richtung Nordwesten und eine entspannte Bergung.
Da störte es auch wenig, dass eine der APRS-Baken ihren Betrieb weitgehend einstellte. Schließlich war noch ein alter Baken-Hase aus Starts 2013/2014 dabei und kurzfristig konnten wir auch noch den brandneuen picoAPRS-Lite von Taner, DB1NTO, auf seine Jungfernreise schicken.
Die Sprachbake von Klaus, DJ7OO, versorgte die Zuhörer mit aktuellen Positions- und Höhendaten – und so schien die Ballonwelt in Ordnung. Selbst die kleine 70cm-APRS-Bake auf Basis einer RS41 wurde im Empfangsnetzwerk gehört.
Bei 32711m platzte der Ballon und erreichte damit eine größere Höhe als von uns erwartet. Schön, wie die Standbesucher gerade in dieser Phase mitfieberten und jede Positionsmeldung sehnsüchtig erwarten. Apropos erwarten: Wie erwartet ist der Abstieg auf den ersten Kilometern sehr rasant! Erst mit dichter werdender Luft setzt die Wirkung des Fallschirms ein. Inzwischen wurde das HAMNET-Signal von einer im vorhergesagten Landegebiet platzierten Zweitstation empfangen und per LTE ins Internet übertragen. Die Live-Bilder zeigten einen turbulenten Sturz, der gar nicht langsamer zu werden schien. Aus den eingeblendeten Höhenwerten konnten Geschwindigkeiten bis zu 150km/h abgeschätzt werden. Was war passiert? Fallschirm nicht richtig geöffnet, das war unsere Theorie. Aber kurze Zeit später offenbarte der Blick auf die Position bei aprs.fi, dass wohl etwas anderes passierte: Die drei Baken, die bisher so einträchtig gemeinsam ihre Spur gezogen hatten, drifteten auseinander!
Und da war klar, dass das Tragseil gerissen sein musste und dass Teile des Ballons ohne Fallschirm zu Boden stürzten – mit der schweren HAMNET-Box und DL0TTM-2 vorweg. Erst konnten wir es nicht glauben, aber so passte alles zusammen – und wir mussten das Team der mobilen HAMNET-Empfangsstation zum Jagdteam umwidmen, um die zwei Teile getrennt zu bergen. Still und heimlich war aber auch noch der Fallschirm unterwegs, mit der Sprachausgabe und dem picoAPRS-Lite (DL0TTM-4). Da dieser aber relativ selten sendete, haben wir das in der Hektik zunächst gar nicht bemerkt.
Zum Glück hatte sich die dritte APRS-Bake (DL0TTM-2) wieder erholt, so dass wir von allen drei Teilen Positionsdaten hatten und bei den ersten beiden relativ schnell vor Ort waren. Schwierig gestaltete sich die Bergung aus ca. 15m Höhe, wurde aber mit zwei zusammengeklebten Fiberglas-Masten bewältigt – HAMNET und DL0TTM-2 sowie die RS41 geborgen! Auch die zweite APRS-Bake (DL0TTM-1) konnte nach längerem Suchen unbeschädigt und in angenehmer Höhe aus einem Baum geborgen werden.
Bisher wussten die Jäger noch nichts von ihrem Glück, nun erfuhren sie, dass der dritte Teil in ca. 10km Entfernung seine letzte Bake etwa 2500m über Grund gesendet hatte und dass noch eine Bergung anstand. Ferngesteuert vom Messestand fuhren sie in den geschätzten Landebereich. Nach gut einer Stunde Suche das Aufatmen: Das Signal der am Boden liegenden Bake konnte empfangen und sogar dekodiert werden.
Fallschirm und die beiden fehlenden Baken lagen weit sichtbar auf einer Wiese. Zunächst unerklärlich war die erhebliche Beschädigung der Sprachbake. Während die frei fallenden Teile praktisch unbeschädigt waren, war diese Bake recht langsam am Fallschirm gelandet. Doch am Abend zeigte sich die Ursache: Ein deutlicher Fußabdruck zierte das Gehäuse. Eine Landung neben einem Fußweg ist eben doch nicht immer gut. Inzwischen spricht sie aber wieder, die Bake.
Nicht wiedergefunden wurde bis jetzt die 70cm-Peilbake. Das kleine Ü-Ei-Gehäuse war nicht gut befestigt und hat sich vermutlich beim Sturz vom Rest gelöst und ist so als vierte Nutzlast zu Boden gefallen.
Das abendliche Entwirren der drei Nutzlastteile zeigte dann auch schnell, wie es überhaupt zu diesem seltenen Ereignis der Ballonspaltung kommen konnte: Die Tragschnur hatte sich an einem Messingrohr, in dem sie durch eine der Nutzlasten geführt war, durchgescheuert. Danach war diese Nutzlast allein unterwegs und der Rest in zwei Teile geteilt. Aber ehrlich: Alles ist gut gegangen! Alle Teile bis auf das Ü-Ei wurden weitgehend unbeschädigt geborgen – und der Erinnerungswert an diese Veranstaltung erheblich gesteigert.
Das Fazit dieses Europäischen Ballonprojekts 2019 ist also durchaus positiv: 7 Nutzlasten von 6 Erbauern haben ihren Weg in den Himmel, zurück zum Boden und dann wieder in unsere Hände gefunden, die HAMNET-Nutzlast hat ihren Erststart mit Bravour gemeistert und die Jäger haben einen tollen Job gemacht. Standpersonal und Zuschauer hatten ihre Freude – nicht zuletzt wegen der Moderation von Ralf, DH3WR.
Wir danken ihm und allen Unterstützern für die Gelegenheit dieses Starts. Der Distrikt P sponsorte das Helium und die Messe Friedrichshafen machte vieles unbürokratisch möglich, was unbedingt nötig war. Der spontan von WiMo gespendete picoAPRS-Lite bekam seine tragende Rolle beim Auffinden des letzten Teils und die freundliche Fluglotsin Bilder ihres Arbeitsbereichs, die sie so wohl auch noch nicht gesehen hat. Etwas wehmütig schauen wir allerdings auf das Ü-Ei, das noch 3 Wochen einsam seine Signale senden wird.
Wir kommen gern wieder, aber 2020 wollen wir erst einmal etwas von der Messe sehen!